Technische Orthopädie
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Technische Orthopädie
Die technische Orthopädie ist eines der ältesten Teilgebiete der Orthopädie, da technische Hilfsmittel aufgrund der früher eher geringen operativen Möglichkeiten – neben physikalischen Maßnahmen – einen hohen Stellenwert in der Therapie von Erkrankungen und Verletzungsfolgen im muskulo-skelettalen Bereich hatten. Konsequenterweise wird an der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm dieser Teil-Bereich des Faches intensiv in die Therapieverfahren einbezogen. Technische Versorgungen werden in vielen Teilbereichen der Orthopädie benötigt:
In der Kinderorthopädie mit Orthesen, Lagerungsschalen und –schienen, Korsetten, Rollstühlen, Liftsystemen und Schuhversorgungen (siehe auch Kapitel Kinderorthopädie).
In der Behandlung von Querschnittgelähmten finden technische Versorgungen mit Rollstühlen (entweder mit Eigenkraft oder elektrisch betrieben), Sitzschalenversorgungen und Lähmungsorthesen zum unterstützten Gehen Anwendung (siehe auch Kapitel Querschnittgelähmtenbereich).
In der Rheuma-Orthopädie sind technische Versorgungen in der Therapie von starken Funktionseinschränkungen und Deformitäten ein alltägliches Therapiemittel und werden in unserer Klinik professionell und häufig indiziert.
In der Sportorthopädie nehmen Orthesenversorgungen einen wichtigen Bereich ein – insbesondere zur Absicherung von OP-Ergebnissen (z.B. Kreuzbandorthesen) und zur kurzfristigen Immobilisierung (z.B. Lagerungsorthesen nach Schulteroperationen). Aber auch Orthesen zur konservativen Versorgung von Sportverletzungen (z.B. Sprunggelenkorthesen) werden mit Erfolg eingesetzt. Spezialschuhversorgungen (z.B. nach Achillesehnenrekonstruktionen) und spezielle Einlagenversorgungen runden das Spektrum der technischen Hilfsmittel ab.
Ansprechpartner
- SL Dr. med. Rainer Eckhardt (zugleich Ärztlicher Direktor Zentrum für Integrierte Rehabilitation)
Sprechstundentermine
- Donnerstags von 08:00 bis 13:00 Uhr
Wenn Sie diese Ermächtigungssprechstunde in Anspruch nehmen wollen, sollten Sie eine Überweisung durch einen Hausarzt, einen Facharzt für Innere Medizin (der zur Versorgung von Diabetes-Patienten oder Patienten, die an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) leiden, zugelassen ist) oder durch einen Facharzt für Chirurgie oder Orthopädie vorlegen.
In Notfällen, wie bspw. hochakuten Entzündungen oder Durchblutungsstörungen der Füße oder Beine, können Sie sich auch außerhalb der regulären Dienstzeiten unter 0731 – 177-0 anmelden.
Leistungsspektrum der Sprechstunde für Technische Orthopädie (TO)
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Spezialsprechstunde für Diabetes-Patienten mit Fußproblemen und Wunden
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Spezialsprechstunde für Patienten mit chronischen Wunden
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Spezialsprechstunde für Patienten mit Durchblutungsstörungen
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Spezialsprechstunde für Patienten mit Gliedmaßenverlusten nach Unfällen
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Spezialsprechstunde für Schuh- und Prothesenversorgungen
Im Rahmen der TO-Sprechstunde werden in der Mehrzahl Patienten vorstellig, die an Diabetes mellitus oder an peripheren Durchblutungsstörungen (Arteriosklerose) erkrankt sind.
Wir behandeln in der TO-Sprechstunde auch eine große Anzahl an Patienten, die Gliedmaßenverluste an den unteren und oberen Extremitäten erlitten haben.
Sehr häufig werden Patienten mit Zuständen nach operativen Eingriffen und schlecht heilenden Wunden oder nach Amputationen vorgestellt. Immer muss entschieden werden, ob eine Weiterbehandlung ohne operative Maßnahmen (= konservativ) möglich ist, oder doch weitergehende Operationen notwendig sind.
Spezielle orthopädische Diagnostik
Neben der klinischen Diagnosestellung und den angiologischen Untersuchungsbefunden (Angiographie und Sauerstoffpartialdruckmessung (tcpO2) der betroffenen Extremität; Kooperationspartner: Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Ulm (Ltd. Arzt Angiologie: Priv.-Doz. Dr. med. A. Imhof), Angiologie im Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Dr. med. Vogelpohl / Dr. med. Richter)) erfolgt durch verschiedene radiologische Bildgebungsverfahren die Sicherung der Ausgangsdiagnose.
In unserer Klinik stehen folgende Verfahren zur Bildgebung zur Verfügung:
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Konventionelles Röntgen (Füße in zwei Ebenen im Stehen)
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Röntgendurchleuchtung
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Ultraschalluntersuchung
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Computertomographie (CT) inklusive CT-gestützter Interventionen
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Kernspintomographie (NMR / MRT)
Zur Ganzkörperbildgebung („staging“) und damit zur Diagnostik von weiteren Infektionsherden kann an der Abteilung für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Ulm ein PET-CT erfolgen.
Neben den radiologischen Verfahren wird bei jedem unserer Patienten mit diabetischem Fußsyndrom eine „plantare Druckmessung“ zur Dokumentation von Gangbildveränderungen und Druckspitzen unter der Fußsohle durchgeführt.
Bei ärztlicher Abnahme der Einlagen bzw. von orthopädischen Schuhen sollte eine sogenannte „Insole Druckmessung“ durchgeführt worden sein.
Diabetisches Fußsyndrom
Schwerwiegende Folgen des Diabetischen Fußsyndroms sind schlecht heilende Wunden (Mala perforantia), die zu Amputationen führen können. Zwei bis zehn Prozent der Patienten mit Diabetes mellitus erleiden ein Malum perforans, dabei liegt die Neuerkrankungsrate jährlich bei 2,2% bis 5,9%. Mit über 60.000 Amputationen pro Jahr liegt Deutschland europaweit im oberen Bereich. Ca. 70% bis 90% aller Amputationen werden bei Patienten mit Diabetes mellitus und peripheren Durchblutungsstörungen (pAVK) durchgeführt.
Offene Stellen an den Füßen (Fußulcera) bei Diabetikern sind das Ergebnis eines multifaktoriellen Geschehens mit folgenden Kausalfaktoren:
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Ungeeignetes Schuhwerk
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Neuropathie (sensorisch, motorisch, autonom)
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pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit)
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Eingeschränkte Gelenkmobilität
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Fußdeformitäten
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Hornhautschwielen
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Psychosoziale Konstellation
Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK)
Eine Durchblutungsstörung der unteren Extremität (periphere arterielle Verschlusskrankheit) gehört neben der Neuropathie zu den wichtigen Ursachen für die Entstehung eines Malum perforans bei Diabetes mellitus, und beeinflusst entscheidend das Behandlungsergebnis. Die Arteriosklerose bewirkt eine Mangeldurchblutung durch Verengung und Verschluss der Arterien. Die Mediasklerose (Mönckeberg-Sklerose) ist eine Kalzifizierung der Tunica media, die einen starren Kanal hervorruft, ohne jedoch das arterielle Lumen einzuengen. 24 % der untersuchten Typ-2-Diabetiker entwickeln innerhalb von 11 Jahren eine pAVK. Die Erkrankung der peripheren Arterien ist nicht diabetes-spezifisch. Allerdings findet sich im Vergleich zu Nicht-Diabetikern eine häufigere Manifestation an den Unterschenkeln.
Orthopädische Therapie des diabetischen Fußsyndroms und der pAVK
Konservative Wundversorgungen
Viele unserer Patienten mit diabetischem Fußsyndrom erleiden auf Grund der sehr häufig vorgefundenen Polyneuropathie Wunden an immer den gleichen Stellen an den Füßen.
Als absolut wirkungsvolle Therapieverfahren hat sich in der TO-Sprechstunde der folgende Therapie-Algorithmus herausgestellt:
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Chirurgisches Wunddébridement
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Antibiotische Behandlung nach Resistenzbestimmung
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Moderne Wundbehandlung mit Alginaten und Hydrokolloid-Verbänden
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Konsequente Druckentlastung
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Einsatz eines Total-Kontakt-Gipses mit Fersenstollen
Durch die konsequente Behandlung in der Sprechstunde und die Mitbehandlung durch Hausärzte und häusliche Pflegedienste, lassen sich eine Vielzahl von Wunden zur Abheilung bringen. Immer muss sich nach Abschluss der Wundheilung eine fachgerechte orthopädietechnische Versorgung (Einlagen und Schuhe! – siehe unten) anschließen.
Operative Wundversorgungen (Vakuum-Wundsysteme)
Lassen sich durch ambulante chirurgische Therapiemaßnahmen die diabetischen Wunden nicht beherrschen, steht eine septische Station zu stationären orthopädisch-chirurgischen Maßnahmen zur Verfügung.
In der Regel wird dann operativ alles abgestorbene Gewebe an den Füßen entfernt (Nekrosenabtragung) und zur weiteren Wundbehandlung ein sogenanntes Vakuumsystem angebracht. Nach einigen Wechseln dieser Vakuumsysteme sind die Wunden in der Regel dann so gesäubert, dass sie mit Hauttransplantaten gedeckt werden – oder sogar im ambulanten Bereich primär verheilen können.
Schuhversorgungen
Die TO-Sprechstunde wird immer gemeinsam mit einem Orthopädie-Schuhmachermeister durchgeführt. In der Regel ist dies ein Mitarbeiter der Fa. Orthopedie Walter – welche im RKU Werkstatträume angemietet hat – aber selbstverständlich liegt die Wahl des zu versorgenden Orthopädie-Betriebes immer beim Patienten. Wir arbeiten gerne und erfolgreich auch mit externen Orthopädieschuh-Fachwerkstätten zusammen.
Großer Wert wird auf eine plantare Druckmessung durch den Schuhmacher vor und nach der Versorgung gelegt. Alle technischen Verordnungen (Rezepte) aus der Sprechstunde – wie Einlagen, Schuhzurichtungen oder Maßschuhe – müssen in der Sprechstunde wieder zur Abnahme durch die verordnenden Ärzte vorgestellt werden.
Amputationen
Der erste Anspruch der behandelnden Ärzte ist es, Amputationen zu vermeiden! Da dies nicht immer möglich ist, wird ein weiteres Grundprinzip unseres Handelns in den Vordergrund gestellt: wenn Amputationen unumgänglich sind – dann soweit peripher (körperfern) wie möglich, um möglichst viele Funktionen der zu operierenden Extremität zu erhalten. Die umfangreichen und Jahrzehnte langen Erfahrungen in der Orthopädischen Universitätsklinik belegt folgender Artikel.
Prothesenversorgungen
Seit 1984 ist die Klinikwerkstatt RKU der Fa. Häussler in der orthopädietechnischen Versorgung unserer Patienten erfolgreich tätig. Die direkte Nähe bringt für unsere Patienten erhebliche Vorteile – so können Prothesennachpassungen und ‑einstellungen innerhalb kürzester Zeit realisiert werden. Die Prothesen werden in der Sprechstunde überprüft und falls notwendig in direkter Absprache mit dem Techniker geändert. Selbstverständlich können auch Verbesserungen in der Passteilversorgung (z.B. C-Leg) probeweise ausgetestet und bei strenger Indikationsstellung durch den Arzt rezeptiert werden.
Rehabilitation
Da nach Major-Amputationen die Prothesenversorgung und ‑gebrauchsschulung inkl. eines intensiven Gang- und Alltagstraining für die Reintegration der Amputierten unerlässlich ist, wird durch die bestehende Organisationsstruktur am RKU ein großer Vorteil geboten, denn hier können die Patienten nach Konsolidierung des Amputationsstumpfes auch in unserem Zentrum für Integrierte Rehabilitation rehabilitiert werden. Damit wird eine Forderung von uns direkt umgesetzt: „Die Rehabilitation fängt auf dem OP-Tisch an und sollte – wenn möglich – auch in der Hand des orthopädischen Chirurgen bleiben.“
Ausgewählte Publikationen und Vorträge
- Eckhardt R. Technische Orthopädie und konservative Behandlung. Hauptvorlesung, Universitätsklinikum Ulm, 04.02.2021
- Eckhardt R. Fuß: Amputation. 22. Anatomiekurs 2020 ISPO Innsbruck, 11.09.2020
- Eckhardt R. Technik der Kniegelenksexartikulation sowie Oberschenkel-/Hüftamputation. Fort- und Weiterbildungskurs der Initiative ’93 Technische Orthopädie Frankfurt, 28.02.2020
- Eckhardt R. Fußamputationen. Fort- und Weiterbildungskurs der Initiative ’93 Technische Orthopädie, ZHT Göttingen, 06.02.2015
- Eckhardt R. Oberschenkelamputation und Hüftexartikulation. Fort- und Weiterbildungskurs der Initiative ’93 Technische Orthopädie, ZHT Göttingen, 06.02.2015
- Eckhardt R. Amputationstechniken obere Extremitäten. Fort- und Weiterbildungskurs der Initiative ’93 Technische Orthopädie, ZHT Göttingen, 07.02.2015
- Eckhardt R. Fuß: Amputation. Anatomiekurs 2015 ISOP Innsbruck, Institut für Anatomie Innsbruck, 18.09.2015
- Eckhardt R. Amputationstechniken untere Extremitäten. In: Ruchholtz S, Wirtz DC: Orthopädie und Unfallchirurgie essentials. Georg-Thieme-Verlag, Stuttgart, 2010
- Eckhardt R. Amputationen an der unteren Extremität. MOT 2010; Heft 1
- Eckhardt R. Transkutane Sauerstoffpartialdruck (tcpO2)-Messung. In: Baumgärtner R. Botta P.: Amputation und Prothesenversorgung, Georg-Thieme-Verlag, Stuttgart, 2008
- Eckhardt R. Transcutane Sauerstoffpartialdruckmessung (tcpO2). MOT 2006; Heft 5